Die Kuh war immer Sympathieträgerin

Es muss Schluss damit sein, dass die Kuh zur Klimakillerin verunglimpft wird

Kuh auf der Weide

Anlässlich des 100-jährigen Landwirtschaftlichen Kurses: Ein Gespräch mit biodynamischen Pionieren. Im Gespräch Klaus Wais vom Hof am Eichenhain. Gemeinsam mit seiner Frau Monika und Team hat er über Jahrzehnte den Hof am Rande von Stuttgart geführt. Der biodynamisch arbeitende Landwirt unterstützt jetzt die Nachfolge-Generation und leistet Bildungsarbeit. Sein Spezialgebiet: die Vorteile der Weidehaltung und die Bedeutung von Rindern für die Biodiversität. 

Herr Wais, welche aktuelle Debatte in der Gesellschaft ermutigt Sie?

Klaus Wais: „Nach etlichen Versuchen die Kuh als klimaschädlich darzustellen, gibt es einen neuen Hoffnungsschimmer. Ein Sachbuch von Florian Schwinn. Der Journalist hat sich auf Umwelt- und Agrar-Themen spezialisiert und bestätigt das, was wir Demeter-Bauern schon immer sagen, dass wir mit unseren Kühen weniger klimaschädliche Landwirtschaft betreiben, da sie flächenbezogen gehalten werden. Außerdem können wir mit unseren Tieren die Kulturlandschaften bewahren und für mehr Biodiversität sorgen.“ 

Welche Stelle im Buch: "Die Klima-Kuh" hat Sie besonders fasziniert?

Klaus Wais: „Mir war bewusst, dass unsere Kühe mit ihren Fladen sehr viel Leben auf der Weide ernähren, aber die Bilanz, die Herr Schwinn aufstellt, hat auch mich verblüfft. Besonders beeindruckt war ich von Schwinn' s Darstellung, dass eine Weidekuh jährlich genug Dung produziert, um 200 Grasfrösche, 25 Stare und 13 Störche zu ernähren und damit zur Biodiversität beiträgt."

Ist Ehrlichkeit nun zurück in der Klimadebatte?

Klaus Wais: "Ich sehe in Schwinn' s Buch tatsächlich einen Wendepunkt. Der Journalist, der übrigens nicht aus unseren Reihen kommt - ich kannte ihn vor seiner Buchveröffentlichung nicht einmal - formuliert das, was Demeter-Bauern schon lange praktizieren und endlich finanziell entlohnt bekommen müssen. Und er erklärt nachvollziehbar für jeden Leser, dass wir weg müssen von fossilgetriebener Düngerherstellung und hin zu natürlichem Dünger. Das will natürlich die Agrarindustrie nicht hören. Aber Herr Schwinn stellt klar, dass die flächengebundene Tierhaltung (auf der Weide) das Beste ist. Und ich füge hinzu, dass das eben bislang viele Betriebe nicht umsetzen konnten, auf Grund der kleinteiligen Struktur in Baden-Württemberg mit vielen Straßen und hoher Siedlungsdichte. Daher fordert der Autor eine bundeseinheitliche Weideprämie und gesellschaftliche Unterstützung, statt Kuh-Bashing, und damit ist er auf unserer Seite.“

Rinderbestände reduzieren sich seit mehreren Jahrzehnten

Quelle: Berichte über die Landwirtschaft, Band 99, Heft 2, S. 7, http://buel.bmel.de und vgl: https://buel.bmel.de/index.php/buel/article/view/441

Was wollen Sie noch klar stellen?  

Klaus Wais:Die Rinder sind nicht dafür verantwortlich, dass der Methan-Ausstoß steigt. Die Menge an Rindern in Deutschland sinkt seit Jahren, trotzdem steigt die Methanproduktion. Die Zahlen kann man beim Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung nachlesen – hier gibt es eine Grafik über die Rinderbestände und Methanproduktion in Deutschland. Weltweit gibt es eher weniger Rinder als in den 90 er Jahren.

„Wir betreiben Demeter-Landwirtschaft am Rande von Stuttgart, eine Stadt, die bekanntermaßen von der Automobil-Industrie lebt. 2011 machte Daimler eine Werbekampagne, mit dem Slogan „Klimafreundlicher als eine Kuh“, das hat sich in den Köpfen festgesetzt, weil keiner die Zusammenhänge hinterfragt. Das ist der größte Coup, dass wir beim Wort "Methan" nun automatisch an "Kuh" denken, statt an die Erdöl-Industrie oder an das hydraulische Fracking (bei dem mit hohem Druck durch Chemikalien künstlich Risse in tiefen Gesteinsschichten erzeugt werden, in denen Erdgas oder Erdöl enthalten sind). Diese Industrien sind nachweislich für den steigenden Methangehalt verantwortlich.“

Was wünschen Sie sich? 

Klaus Wais: „Wir müssen uns endlich wieder die Natur zum Vorbild nehmen. Deshalb machen wir persönlich ja Demeter-Landwirtschaft. Wir haben erkannt, dass die Wiederkäuer das Klima sogar retten können. Denn Savannentiere sorgten als sie über die Flächen zogen für Dung und damit für Schwarzerde, die heute noch in Teilen Deutschlands vorhanden ist. Genau dieses Prinzip setzen wir mit unserer Tierhaltung bei Demeter um.“

Also was ist der Ausweg?

Klaus Wais: 

„Die Politik muss die Ökosystemleistung der Biolandwirtschaft honorieren und Weidehaltung finanziell unterstützen. Die Gesellschaft kann es nicht nur den Bauern überlassen, die Verbraucher mit Lebensmitteln aus der Region zu versorgen. Sie muss auch die Rahmenbedingungen für unsere Betriebe schaffen und auch Weidehaltung in die Stadtplanung integrieren."

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Wais

 

Weitere Quellen zum Thema: 

Bücher:

  • Florian Schwinn: Die Klima Kuh, Von der Umweltsünderin zur Weltenretterin, 2024
  • Anita Idel: Die Kuh ist kein Klimakiller: Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können, 2010

Zum Nachhören: ARD Audiothek

Artikel: Lebendige Erde, Demeter Journal, Süddeutsche Zeitung
 

 

 

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100 Jahre